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Bildrechte: DLR

Seit über zwei Jahren muss sie die extremen Weltraum-Temperaturen in der Marsumlaufbahn von rund minus 100 Grad Celsius bis etwa plus 100 Grad Celsius aushalten und zudem die energiereiche kosmische Strahlung und den Sonnenwind verkraften, aber noch immer funktioniert sie tadellos:

Die deutsche Stereo-Hochleistungskamera an Bord der europäischen Raumsonde Mars Express liefert zuverlässig Bilddaten von exzellenter Qualität für die Wissenschaft.
Die vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin-Adlershof entwickelte "High Resolution Stereo Camera" (HRSC) ist das erste Kamerasystem an Bord einer Planetensonde, das eine Oberfläche gleichzeitig in hoher Auflösung, dreidimensional und in Farbe abbilden kann. Mit den 3-D-Aufnahmen der vom Berliner DLR-Institut für Planetenforschung betriebenen Kamera wird die Erforschung des Mars gegenwärtig auf eine neue Grundlage gestellt.

Seit dem 10. Januar 2004 erkundet und kartiert das technische Wunderwerk den Mars intensiv aus der Umlaufbahn: Die Stereokamera hat problemlos während fast 1.000 Marsumrundungen Bilddaten aufgenommen und von der Sonde zur Erde übertragen lassen. Damit sind nach etwas mehr als zwei Jahren 30 Prozent des Roten Planeten extrem genau erfasst; das sind 41 Millionen Quadratkilometer und dies entspricht ungefähr einem Drittel der Landmassen der Erde. Wissenschaftler aus zehn Nationen werten die Bilder aus Berlin aus, um wichtigen geologischen Fragen nachgehen zu können: "Insbesondere interessiert uns, ob es einmal Wasser auf dem Mars gegeben hat", erklärte Professor Sigmar Wittig, der Vorstandsvorsitzende des DLR, anlässlich des zweijährigen Jubiläums der europäischen Mission Mars Express. "Und zur Klärung dieser Frage sind die von unseren DLR-Wissenschaftlern in Berlin-Adlershof aufbereiteten hochgenauen Datensätze unerlässlich", fügte er hinzu.

Europäische Mission Mars Express mit deutscher Stereo-Hochleistungskamera seit zwei Jahren erfolgreich - Missionsverlängerung um zwei weitere Jahre

Nicht zuletzt wegen des außerordentlichen Erfolgs der Stereo-Hochleistungskamera beschloss die Europäische Weltraumorganisation ESA, die Mission Mars Express, die seit Weihnachten 2003 unseren äußeren Nachbarplaneten umkreist und zunächst auf zwei Jahre geplant war, um zwei weitere Jahre bis Ende 2007 zu verlängern. "Während der bald 3.000 Marsumrundungen hatten wir die Kamera etwa bei jeder dritten Marsannäherung angeschaltet. Dabei haben wir bis jetzt knapp 30 Prozent des Planeten in der hohen Auflösung von 20 Meter pro Bildpunkt oder besser kartiert", berichtet der Berliner Leiter des HRSC-Experiment-Teams Dr. Ralf Jaumann vom DLR-Institut für Planetenforschung. "Einen so großen zusammenhängenden Bildkartensatz gibt es auf der Erde noch gar nicht. Und - besonders erwähnenswert - diese Bilddaten liegen nun erstmals dreidimensional und in Farbe vor. Doch für die Auswertung der enormen Datenmengen werden die Mars-Wissenschaftler rund um den Globus noch Jahre benötigen. Dennoch liegen erste wissenschaftliche Erkenntnisse bereits vor, die ganz wesentlich aus unseren Bildern resultieren", betonte Jaumann, der auch Mitglied im HRSC-Wissenschaftsteam ist.

Fünf Blickwinkel + vier Farben = neun Datensätze gleichzeitig - 3-D-Aufnahmen von tausend Mars-Kilometern

Mit der Berliner Stereokamera - einem von sieben Experimenten an Bord von Mars Express - entsteht der umfangreichste Datensatz, der je mit einem deutschen Instrument zur Erkundung unseres Sonnensystems gewonnen wurde. Durch die außergewöhnliche Funktionsweise der Kamera können bei jeder Annäherung an den Planeten aus dem elliptischen Orbit aus etwa 250 Kilometer bis 300 Kilometer Höhe Bildstreifen von 50 Kilometer bis 100 Kilometer Breite und vielen hundert, ja bis zu mehreren tausend Kilometer Länge aufgenommen werden.

Da die vom DLR entwickelte Stereokamera den Mars bei jeder Aufnahme simultan unter fünf verschiedenen Blickwinkeln und zusätzlich in vier Farben aufnimmt, entstehen durch die Verwendung der neun lichtempfindlichen Scanner-Sensoren während des Abtastvorgangs der Oberfläche gleichzeitig neun Bildstreifen, die am Computer zu den verschiedensten Ansichten und sogar zu simulierten Überflügen kombiniert werden können.

Große Datenmengen vom Mars extrem komprimiert zur Erde


Dies bedeutet auch, dass die enorm großen Datenmengen vom Mars trotz beschränkter Bandbreiten irgendwie möglichst präzise zur Erde übertragen werden müssen. Da der Mars für einen Sonnenumlauf rund 687 Erdtage - also fast doppelt so lange wie die Erde - benötigt, variiert der Abstand der beiden Planeten zwischen 55 und 400 Millionen Kilometer. Da die Signalstärke des Funkverkehrs zwischen Raumsonde und Erde mit dem Quadrat der Entfernung abnimmt, können trotz maximaler Sendeleistung von 182 Bits pro Sekunde mit zunehmender Entfernung der Mars-Raumsonde von der Erde immer weniger Daten übertragen werden. Um diesen Umstand zumindest teilweise kompensieren zu können, werden zur Reduzierung der zu übermittelnden Datenmenge die digitalen Bildsignale in der Kamera sofort komprimiert und in reduziertem Umfang dem Hauptspeicher vom Mars-Orbiter zugeführt. So werden die HRSC-Bildstreifen - fast ohne Verlust an Qualität - auf kleinere Datenpakete geschrumpft.

Bis zum heutigen Zeitpunkt nahm die Berliner Stereokamera knapp 100 Gigabyte an so genannten komprimierten Rohdaten auf. Diese werden nach dem Empfang von den Weltraumantennen der ESA und der NASA in Australien, Spanien und Kalifornien zum European Space Operations Centre (ESOC) nach Darmstadt übertragen, von wo sie sofort zum HRSC-Experiment-Team nach Berlin-Adlershof weitergeleitet werden.

Datenprozessierung im Berliner DLR in wenigen Stunden

"Wir korrigieren kleine, durch die unterschiedlichen Empfindlichkeiten der Sensoren bedingte Fehler vollautomatisch und entzerren dann die Bilder in wenigen Stunden zu präzisen Kartenbildern", erklärt Dr. Ralf Jaumann. "Dann ist jeder Pixel auf der Bildkarte an seinem geographisch exakten Ort."

Die "Spezialität" des DLR-Teams ist jedoch die Erstellung von so genannten digitalen Geländemodellen, die eine präzise dreidimensionale Darstellung der Marsoberfläche erlauben. "Wir berechnen im Missionsverlauf die erste globale topographische Karte des Mars", sagt Jaumann. Die bei diesen Verarbeitungsschritten generierte Datenmenge vervielfacht sich durch das "Auspacken" der Datenpakete und durch die Erzeugung von kartenprojizierten Bildern erheblich: Bis heute sind in den Berliner DLR-Archiven 1.450 Gigabyte an systematisch prozessierten Mars-Bilddaten entstanden. Nach einer Sperrfrist von einem Jahr sind die Daten auf Serversystemen der ESA und NASA weltweit auch den Forschern zugänglich, die nicht über die diversen Wissenschafts-Teams der ESA direkt an der Mission Mars Express beteiligt sind.

Schnelle Weiterleitung der Daten an Wissenschaftler rund um den Globus für die Auswertung und Interpretation

Meist noch am selben Tag, an dem die Daten empfangen wurden, kann das Experiment-Team die aufbereiteten Bilder bereits den am Projekt direkt beteiligten Marsforschern zur Verfügung stellen. Geleitet wird das HRSC-Wissenschaftsteam vom so genannten "Principal Investigator" Professor Gerhard Neukum an der Freien Universität Berlin, der auch die konzeptionelle Idee der HRSC entwickelte.

Im HRSC-Wissenschaftsteam arbeiten 42 Wissenschaftler aus zehn Ländern (Europa, USA, Japan, Taiwan) mit ihren Forschungsgruppen unmittelbar mit den Bilddaten, darunter auch sieben DLR-Wissenschaftler. "Nach und nach entsteht mit diesen Aufnahmen auch unter wissenschaftlichen Aspekten ein neues Bild vom Mars", freut sich Neukum. "Mit den 3-D-Daten schließen wir eine große Lücke in der Marsforschung. Wir konnten in den ersten beiden Jahren schon sehr wichtige Ergebnisse erzielen."

Bis zum Ende der ersten Missionsverlängerung Ende 2007 wird die Berliner Stereokamera den Mars mit seinen 145 Millionen Quadratkilometern zwar komplett mit farbigen 3-D-Bilddaten, die eine Auflösung von mindestens 40 Meter pro Pixel haben, abgedeckt haben. "Aber für unsere vielfältigen Forschungsaufgaben streben wir eine höhere Auflösung von global 20 Meter pro Pixel an, wofür wir dann aber noch einmal eine Missionsverlängerung benötigen würden", führt Neukum aus.

Staubbedeckte, junge Gletscher und Trockentäler, von mächtigen Flüssen ausgeschürft

Durch die Untersuchung der Mars-Bilder aus Berlin kristallisierte sich heraus, dass die gigantischen Vulkane auf dem Mars vermutlich noch in geologisch jüngster Zeit - vor wenigen Millionen Jahren - mit wahrscheinlich geringen Fördermengen letztmals aktiv waren. Daher erscheint es nicht ausgeschlossen, dass die über 20 Kilometer hohen Mars-Berge vereinzelt noch heute aus dem Inneren des Roten Planeten reaktiviert werden könnten. In der Nähe des Äquators, wo die Temperaturen auf dem sonst eisig kalten Mars auch über dem Gefrierpunkt liegen können, wurden von Staub bedeckte, relativ junge Gletscher identifiziert.

Viele Hinweise auf ehemals fließendes Wasser auf dem Mars

"Die Rolle, die fließendes Wasser auf diesem Planeten einst spielte, ist eine der Schlüsselfragen der Marsforschung", erklärt Dr. Jaumann. Gemeinsam mit einem Team junger DLR-Geologen und Mitgliedern des HRSC-Teams untersuchte er auffallend gewundene Täler auf dem Mars, die vor Milliarden von Jahren offensichtlich von Flüssen ausgewaschen wurden und sich durch einen Fließkanal am Boden des Tals als ehemalige Flussläufe verraten: Ein weiterer Beweis dafür, dass auf dem heute an der Oberfläche staubtrockenen Planeten einst Wasser geflossen ist. Die Ergebnisse wurden vor kurzem in der Fachzeitschrift Geophysical Research Letters (Vol.32 L16203) veröffentlicht.

Präzise Messungen: Mars-Flüsse früher doppelt so groß wie der Rhein

Mithilfe der dreidimensionalen Daten der Stereokamera konnte erstmals die Tiefe eines solchen Flusstals auf dem Mars gemessen werden. Aus der Breite und der Tiefe des heute trocken gefallenen Flussbettes konnte dann die mittlere Abflussmenge abgeleitet werden, die mit knapp 5.000 Kubikmetern pro Sekunde etwa doppelt so hoch war wie die des Rheins heute. "Das sind eigentlich gar keine so großen Wassermengen, die durch diese Täler pro Zeiteinheit geflossen sind", war Jaumann von seinen Messungen überrascht, "angesichts der zum Teil riesigen Ausmaße der Täler hätte man größere Abflussmengen erwarten können."

Bisher waren die Wassermengen, die zur Bildung der trocken gefallenen Flusstäler führten, unbekannt oder beruhten auf groben Schätzungen. "Unsere Messergebnisse weisen darauf hin, dass es vor etwa 3,5 Milliarden Jahren über einen vergleichsweise langen Zeitraum von einigen 100 Millionen Jahren mehrfache, kurzfristige Aktivitätsphasen von Flüssen gab." Ein anhaltendes Fließen über diesen langen Zeitraum ist auf Grund der ermittelten Erosionsraten, des Abflusses und des Sedimenttransportes jedoch unwahrscheinlich. Es ist eher davon auszugehen, dass die Flüsse nur während kurzer Zeitspannen Wasser führten, um dann für Millionen von Jahren wieder trocken zu fallen. Dies zeigt, dass Wasser auf dem Mars auch in seiner Frühphase nicht anhaltend, sondern nur sporadisch eine Rolle spielte. Ungeklärt ist weiterhin, durch welchen Prozess diese Episoden fließenden Wassers auf dem Mars ausgelöst wurden. "Möglicherweise spielt Vulkanismus, der im Untergrund gespeicherte Eismassen abtaut, hier eine Schlüsselrolle", erklärt Jaumann.

"Die Ergebnisse der Berliner Stereokamera lassen den Mars noch erdähnlicher erscheinen, als bisher gedacht - und damit stellt sich die Frage nach frühem Leben auf unserem Nachbarplaneten noch dringender", sagt Prof. Tilman Spohn, Direktor des DLR-Instituts für Planetenforschung, der ein Schwerpunktprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft zum Mars koordiniert.

Europäische Marsforschung trotz eigener Untersuchungziele ideale Ergänzung zu amerikanischen Mars-Missionen

Die Marsforschung wurde nicht zuletzt durch die europäische Mission Mars Express einen gewaltigen Schritt nach vorne gebracht. Die Forschungsziele wurden so formuliert, dass sie eine ideale Ergänzung zu den aktuellen amerikanischen Orbitermissionen Mars Global Surveyor und Mars Odyssey sowie der bald in eine Umlaufbahn um den Roten Planeten einschwenkenden Sonde Mars Reconnaissance Orbiter darstellen. Die hochauflösenden topographischen Farbbilddaten der Stereokamera dienen nicht nur als Grundlage für aktuelle geologische Untersuchungen, sondern auch für ehrgeizige Zukunftspläne: Nicht zuletzt werden 3-D-Daten bei der Auswahl für Erfolg versprechende Landeplätze benötigt.

ExoMars - weitere europäische Mars-Mission wird bereits vom DLR mitvorbereitet

So werden HRSC-Aufnahmen hilfreich sein, wenn für das europäische Projekt ExoMars eine günstige und wissenschaftlich interessante Landestelle gesucht wird: Mit ExoMars soll 2011 ein Marsfahrzeug, ein so genannter Mars-Rover, auf der Marsoberfläche an einer Stelle abgesetzt werden, die für die Suche nach Wasser und den Spuren von Leben viel versprechend ist. Das Projekt wurde erst kürzlich, im Dezember 2005, in Berlin anlässlich der ESA-Ministerratskonferenz beschlossen. Deutschland beteiligt sich mit mehreren wissenschaftlichen Einrichtungen an ExoMars, unter anderem mit vier DLR-Instituten: "Das Berliner DLR-Institut für Planetenforschung wird an der ExoMars Mission wieder in vorderer Linie beteiligt sein. Uns interessiert dabei vor allem die Suche nach Räumen für primitives Leben, aber auch der innere Aufbau und die Entwicklung des Planeten", sagt der Berliner DLR-Institutsleiter Spohn.

Weitere DLR-Institute liefern Beiträge zu ExoMars


So entwickelt zum Beispiel in Köln das DLR-Institut für Raumsimulation bereits im Auftrag der ESA Räder für den europäischen Mars-Rover, der im sandigen und steinigen Gelände fahren und den Mars in der Umgebung der Landestelle erforschen soll.

(Quelle: DLR)

 

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